Ein Ende der musikalischen Dürre

 
Seine Liebe gehört dem Jazz, doch Stefan Pentenrieder möchte künftig auf dem Flößerplatz auch anderen Musikern und Stilrichtungen eine eigene, kleine Plattform bieten und damit den Platz gleichzeitig musikalisch weiterentwickeln.
Foto: Thorsten Jordan

Er zählt zu den schönsten und nicht nur abends sicherlich zu den romantischen Plätzen in Landsberg: Der Flößerplatz. Nur eines fehlt dem Landsberger Stefan Pentenrieder dort: ab und zu ein wenig Musik. Und genau dafür möchte er sorgen, in Zukunft und am kommenden Sonntag zum Auftakt einer wiederkehrenden Reihe, dieses Mal mit seiner Jazz-Formation Redbäx.

Stefan Pentenrieder hat eine durch und durch Landsberger Vergangenheit. Er liebt seine Heimatstadt, er schwärmt von Straßen, Orten und Plätzen, die über eine einzigartige Stimmung verfügen. Das ist für ihn untrennbar mit Musik verbunden: „Ich steh immer noch unter dem Eindruck der vielen Musiker, die bei den Europa-Tagen der Musik die Stadt bevölkert und überall ganz spontan gespielt haben.“

Sein persönlicher Lieblingsplatz ist aber der Flößerplatz. Er spricht von „Café-Ratschern“, die sich dort aufhalten, von Eis-Feinschmeckern, Flanierern und Lechwehr-Genießern. „Das hat Tradition und freut einfach alle, die dort verweilen.“ Nur eines vermisst er: „Dieser schöne Platz ist musikalisch einfach verwaist.“ Das treibt ihn seit Jahren um, und als nun auch noch der Soundlaster auf den Hellmairplatz („Auch ein schöner Ort“) umzog, sah er den richtigen Zeitpunkt gekommen. „Warum sollten nicht musikalische Formationen oder auch Einzelmusiker drei bis vier Mal im Jahr am Flößerplatz vor Eisdiele und Café Musik machen?“

Dabei schweben ihm keine großen Veranstaltungen oder lange Konzerte vor, sondern kleine, aber feine qualitative Beiträge, zeitlich limitiert, von Musikern aus der Region produziert und vorgetragen. „Das Mexiko-Quartett mit Adventsliedern aus dem Reisekoffer wollen wir nicht.“

Beim Inhaber des Lavazza-Cafés Niki Amberger stieß er mit diesem Plan auf offene Ohren. Amberger hatte in der Vergangenheit immer wieder versucht, dem Platz vor seinem Café mit Aktionen etwas zusätzliches Leben zu verschaffen. So organisierte er unter anderem auch einen Sandstrand mit Liegestühlen und Strandbar, bevor der Platz einst saniert wurde. Der Gastronom findet die Idee Pentenrieders großartig, wenngleich auch er keine Konzerte und ähnliche Veranstaltungen an dem Platz für geeignet hält. „Wir können und werden keine Mörderbeschallung abliefern.“

Die Musiker sollen auch nur tagsüber, bevorzugt am Nachmittag auftreten und abends ihr Programm beendet haben. „Das ist auch mit der Stadtverwaltung so besprochen.“ Niki Amberger tritt dabei in den Hintergrund, stellt, wenn benötigt, den Strom zur Verfügung und übernimmt auch die Musikerhonorare. Als offiziellen Veranstalter könnte sich Stefan Pentenrieder die Allgäuer Jazz-Initiative vorstellen, deren Mitglied er selbst ist. „Das soll nun aber nicht gleich die Stilrichtung vorgeben“, erklärt der Trompeter, er würde sich vielmehr über ein möglichst breitgefächertes Musikangebot freuen.

Bereits jetzt von einem langfristigen Konzept zu sprechen, sei allerdings verfrüht. „Wir sind ganz am Anfang und wollen erst einmal sehen, wie die Geschichte anläuft.“ Er selbst macht am Sonntag, 16. Juli, mit seiner Formation „Redbäx“ von 14 bis 18 Uhr den Auftakt. Redbäx, das sind Florian Mayer am Saxofon, Masako Kasai (Piano), Simon Kerler (Drums) und eben Stefan Pentenrieder an der Trompete. Die Band sei in mehreren stilistischen Richtungen zu Hause wie etwa im Swing, im Bebop oder Mainstream. Stefan Pentenrieder: „Wir haben auch freche Eigenkompositionen im Programm.“ Für die Zukunft verspricht er: „Es passiert was und bleibt immer spannend“ – und die musikalische Dürre am Flößerplatz wäre ab dann überwunden.
Volker Schöndorfer (LT 13.07.2017)
 

Hochalpine Selbstüberschätzung…

 

Zugspitzlauf 13.07.2008 – tödlicher Ausgang für zwei Läufer

 

Um was es geht

Der Zugspitz-Extrem-Berglauf beinhaltet ca. 2.100 Höhenmeter und 16, 1 km Laufdistanz mit Start vom österreichischen Ehrwald (1000 m) auf die österreichische Gipfelstation der Zugspitze (2944m).

 

Aus der Sicht des „Mit-Läufers“

Bei 550 Startern, am Ende zwei Toten, sechs schwer Verletzten und vielen unterkühlten LäuferkollegInnen eine schlimme Bilanz. Wie konnte das passieren? Ich bin mit gelaufen und verarbeite jetzt die Ereignisse aus Sicht des „Mit-Läufers“.Zugspitze

 

Der kollektive Rausch und die Delegation von Verantwortung

Der Wettergott zeigte gleich zu Beginn, was die Veranstaltung bringen würde: Gewitter, Regen, Blitz und Donner. Bereits bei der Startvorbereitung um 09.00 Uhr regnete es bei 10 Grad Lufttemperatur und das hörte bis zum Endeder Veranstaltung nicht auf.

 

Neben mir am Parkplatz kam ich mit zwei Läuferkollegen ins Gespräch, die nur mit T-Shirt und kurzer Hose bekleidet zum Start gingen. Die Aussage: „Nach 3 km bist du eh´ so heiß, da brauchst du keine Jacke…“

 

Ein Stück ließ ich mich davon verleiten und band mir nur noch eine dünne langärmlige Jacke um die Hüften. Ich startete also mit ¾ langer Laufhose, einem Unterhemd ohne Ärmel, darüber ein T-Shirt sowie einer Schirmmütze auf dem Kopf.

 

Am Start herrschte eine euphorische Stimmung. Und rückblickend behaupte ich, dass die wenigsten – einschließlich mir – so richtig wussten was es bedeutet einen Berg mit 3.000m Höhe im T-Shirt bzw. leichter Bekleidung und vor allem bei diesen Wetterbedingungen bezwingen zu wollen. Die Hinweise  der Veranstalter auf warme Kleidung und die niedrigen Temperaturen stören da nur die eigene Begeisterung und das hinfiebern auf den Startschuss.

 

Die Mentalität des „Versogt-Werdens“

Die unbewusste Mentalität des „Versorgt-Werdens“ hat hier voll durchgeschlagen: „Die Helfer sind ja vor Ort, der Veranstalter weiß schon was er macht und hat da Erfahrung…, ich habe ja schließlich auch durch 60 EUR Startgeld eine Verantwortung delegiert.…, wenn´s zu viel wird steige ich halt aus…, hier unten schaut´s ja gut aus…, im Zweifel hilft mir schon einer (Bergwacht)…und: Ich bin ja fit und gut trainiert…“

 

Das gilt sicher für Läufe in der Ebene oder im hügeligen Gelände, aber nicht für hochalpine Vorhaben.

 

Weiter haben wir schlicht ausgeblendet, dass die antrainierten Höhenmeter überwiegend bei gutem Wetter und in Lagen bis max. 1.500/2.000m Höhe erarbeitet wurden. Da fängt ja die hochalpine Landschaft erst an. Und für den Zugsspitzlauf bedeutet das weitere 1000m nach oben.

 

Auch die klassischen (gut ausgerüsteten) Bergsteiger werden milde belächelt und in engen Passagen als Hindernis für uns „schnelle“ Läufer gesehen.

 

Gemäß dem Motto: Was ich an (zu) leichter Kleidung anhabe mache ich durch laufen und das damit verbunden Schwitzen wieder wett. Fakt ist: Der Läufer fühlt sich nicht als Bergsteiger, er ist Läufer. Das zeigt sich allein schon in seiner Ausrüstung. Fakt ist aber auch: Wir starten um einen 3.000er zu besteigen und die Gesetze dort gesund hinauf zu kommen sind für Wanderer und Läufer  gleich. Das gilt insbesondere bei einem Wetter wie am 13. Juli.

 

Die Frage der angemessenen Kleidung stellt sich bei jedem Berglauf, der in diese Regionen geht. Unten hat mir das T-Shirt vollkommen gereicht. Ich habe nicht gefroren und der Regen war unangenehm aber kein Problem. Erst beim Wetterumsturz hätte ich mehr und vor allem trockenes benötigt. Doch selbst wenn ich Kleidung dabeigehabt hätte. Ich kann mir kaum vorstellen bei weitschendem Regen  und eisigem  Wind auf freier Strecke die Kleidung zu wechseln. Bei der Knorrhütte auf 2.000m war die Bekleidung noch in Ordnung und danach war freies Geröllfeld ohne Schutz. Für Läufer ist aus meiner Sicht die Bekleidungsfrage weitaus schwieriger zu lösen  als für Bergsteiger inbesondere in einem Wettkampf. Zumal zusätzliches Gewicht herum schlenkert und auch schlichtweg langsamer macht. Diese Sichtweise mag einem Nicht-Läufer komisch erscheinen und trotzdem beschäftigt sie mich und meine LäuferkollegInnen. Mit Rucksack habe ich nur sehr vereinzelt Teilnehmer gesehen.

 

Hilfreich wären dicke Handschuhe sowie eine frische wasserdichte Jacke, eine Mütze und eine Rettungsfolie gewesen.

 

Ich glaube, dass der Veranstalter „gelyncht“ worden wäre wenn er am Start gesagt hätte, nur diejenigen Läufer mit warmer, angemessener Ausrüstung dürfen jetzt starten.

 

Herbert Steffny, einer der erfolgreichsten deutschen Marathonläufer berichtete in einem Interview dass der Veranstalter in der Vergangenheit das Rennen schon verkürzt hat und dann aber wohl mit Regressforderungen von verärgerten Läufern überzogen worden ist. Außerdem werden solche Läufe häufig von Eventagenturen ausgeschrieben, die zu Gigantismus neigen. Da muss es dann der irrste Berglauf sein. Und das Ziel wird lange aufgelassen, damit das Teilnehmerfeld möglichst groß ist – natürlich auch aus finanziellen Gründen.

 

Die kollektive Euphorie lässt einen dermaßen großen Massensog entstehen, der nach dem Start nicht mehr gestoppt werden kann. Ein Rennabbruch erscheint mir nicht durchführbar und hätte hier auch keinen Sinn gemacht.  Wohin gehe ich denn, wenn auf 2200 m das Rennen abgebrochen wird…

 

Die Rennentwicklung auf der Strecke

Regen und aufgeweichte, matschige Wiesenhänge waren zwar unangenehm, aber nicht wirklich gefährlich. Wichtiger war die andauernde Konzentration auf die nächsten Laufschritte, vor allem in den später kommenden Fels- und Geröllfeldern.

 

Kurz nach der Knorrhütte, (2000m) um ca. 11.00 Uhr, kam zum immer stärkeren Regen (später in Schnee übergehend) plötzlich noch ein eisiger Sturm hinzu. Ich zog meine vom Regen nasse und kalte Windjacke über mein nasses T-Shirt. Das war der angekündigte Wettersturz innerhalb von Minuten. Ich war noch gut bei Kräften merkte aber schnell, wie vor allem der Wind die gefühlte Temperatur im Regen schnell auf unter Null Grad abkühlte. Bei diesen Bedingungen war ich nicht mehr in der Lage, mit Lauf- bzw. Gehanstrengungen, meinen Körper ausreichend zu wärmen. Ich kühlte mehr und mehr aus und hatte noch einen weiten Weg vor mir  bis auf 2.500m zur SonnAlpin.

 

Ich gebe zu, dass ich keine Ahnung hatte was es konkret und selbst erlebt bedeutet, auf über 2000m vollkommen durchnässt und unterkühlt bei Wind und 0 Grad zu gehen/laufen. Selbst nach einer kürzest möglichen Pinkelpause kostete mir alleine das Wiederantraben schon Kraft und ich wäre am liebsten auf den Fels gesunken. Mir hat insgesamt geholfen, dass ich gut bei Kräften war, genügend gegessen und getrunken hatte und die ersten beiden Drittel das Renntempo diszipliniert eingeteilt hatte und wenigstens so schlau war, eine Jacke mitzunehmen.

 

Auf SonnAlpin in einer Höhe von 2.500m nach 2 Stunden 45 angekommen konnte ich den angebotenen Müsliriegel erst nach mehreren zittrigen Versuchen festhalten, auch einen offenen Schuhbändel konnte ich nicht mehr binden.

 

An Punkt der SonnAlpin Station viel besonders in diesem Jahr die (individuelle) Entscheidung ob ein Läufer die 400 HM und 1,3 km zum Ziel auf 2.944 m weiterläuft oder ob er hier seinen Lauf beendet und mit der Gondel nach oben fährt. Es sei denn der Veranstalter beendet das Rennen offiziell. Dann müssen  alle die Gondel zum Gpifel nehmen. Das hat er aber, als ich um 12.48 Uhr dort ankam, noch nicht getan. Es liefen immer noch Leute von der SonnAlpin aus weiter hoch, um das schwierigste Steilstück in Richtung Gipfel in Angriff zu nehmen. Eine Sperrung der Strecke gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Es kam nur die Empfehlung hier aufzuhören – weiter gehe es eben nur noch auf eigene Gefahr, so die Aussage von einem Bergwachtler und einem Vertreter des Veranstalters mir gegenüber bei Ankunft am SonnAlpin.

 

Und trotz allem zittern, tauben Händen und dem durchgefroren sein hatte ich noch die Überlegung weiterzulaufen: „So kurz vor dem Ziel kein Weichei zu sein, Konsequenz und Durchhaltevermögen zu demonstrieren, eben ein „harter Hund“ zu sein. So wie im Geschäftsleben auch: Kein Ziel zu anspruchsvoll und kein Hindernis zu hoch…“

 

Ich bin dann nach der Verpflegungsstation noch  100 Meter weitergelaufen. Dann musste ich stehen bleiben, weil ich durch dichtes Schneetreiben und Nebel keine 10 Meter mehr sehen konnte und der Weg nicht mehr zu erkennen war. Gott sein dank habe ich dann umgedreht, den Lauf auf der SonnAlpin beendet und die Gondel zum Gipfel genommen.

 

Dort oben angekommen war noch keinem so richtig bewusst, welch dramtischen Szenen sich auf der Strecke abspielten. Wir sahen vom Fenster der Bergsation nur die zitternden und erschöpften Läufer. Links und rechts gestützt von Helfern schleppten sie sich die letzten steilen Meter durch das Schneechaos zur Bergstation. Da begriffen wir allmählich was später Wahrheit wurde.

 

Selbstüberschätzung

Hier zeigt sich bei mir, stellvertretenden für meine Mitläufer, ganz banal die oben beschriebenen Formen der Selbstüberschätzung. Die Psychologie der Masse am Start, die aufpeitscht, die Ignoranz von deutlichen Hinweisen („warm anziehen – am Gipfel höchstens 3 Grad…“) und der Glaube an die Pseudo-Sicherheit, in der wir uns ständig wähnen wollen.

 

Ich schätze mich nicht als Draufgänger ein, habe mich gewissenhaft vorbereitet, war gesund und fühlte mich gut. Von einem Freund und erfahrenden Bergsteiger wurde ich sogar noch eindringlich über die Strecke und Wetterentwicklung vorinformiert. Trotzdem: Ich war zu leichtsinnig gekleidet und habe viele Warnungen nicht wirklich gehört. Im nach hinein stelle ich fest, dass ich nur auf mich selbst und das Ziel Deutschlands höchsten Berg zu bezwingen, fixiert war. Und außerdem: 550 andere Mitläufer können sich ja auch nicht irren….

 

Ich glaube gar nicht, dass da ein Haufen „Extremer“ unterwegs war. Nein, ich denke so eine Veranstaltung ist auch ein Spiegelbild unseres „Da-Seins“, ein Spiegel dessen, wo wie wir als Gesellschaft stehen, bzw. in diesem Fall laufen. Und: Extrem ist angesagt. Da kann man als Teilnehmer mitreden und Geschichten vom „Abenteuer“ mit gutem Ausgang erzählen. Leider gab es in diesem Fall eben keinen guten Ausgang für alle.

 

Nach diesem Muster funktionieren ja auch Abstürze im Wirtschaftsleben: Ignorieren von Warnungen, ein blindes „Weiter-Machen“, ein verschließen der Augen vor der Realität und nur das wahrzunehmen, was in die eigene Sichtweise passt. Geht es schließlich schief hallt sehr schnell der Ruf nach dem Staat (in diesem Fall Bergwacht…).

 

Wer hat Schuld an diesem Desaster?

Darüber zu spekulieren macht wenig Sinn und das Unglück nicht ungeschehen. Sicher hat der Veranstalter noch lange an dieser Tragik zu knabbern. Und die obigen Überlegungen müssen nach acht Jahren Erfahrung auch bei den Organisatoren im Blick sein und künftig dazu führen, das Ziel auf Grund von schlechten Wetterprognosen zu veränder, bzw. tiefer gelegene Schlechtwetterrouten vorzubereiten.

 

Aber auch wir als Läuferkollektiv haben dazu beigetragen, Druck auf den Veranstalter aufgebaut, mit Unvernunft andere gefährdet, Verantwortung abgeschoben und letztlich leichtsinnig gehandelt.

 

Ausblick

Selbstverständlich laufe ich weiter, auch Bergläufe zum Trainieren, denn die sind einfach ein Highlight. Und wer schon einmal in aller Frühe gestartet ist und vor der ersten Gondel oben war, der hat einen Hochgenuss erlebt und will dieses tolle Gefühl wieder haben.

 

Trotz allem schönen am Berglauf: Das werde ich mir merken und ich denke an die Angehörigen sowie an die beiden Läuferkollegen, die nicht mehr nach Hause gekommen sind…